Leid und Freud durch die Rückkehr des Bibers nach Mühlheim

Unsere zweite Vorsitzende Frau Dr. Adela Zatecky hatte am 5. Mai 2023 zu einer Führung über den Biber in Mühlheim eingeladen, der zahlreiche Interessenten gefolgt waren.

Sie zeigte uns den von dem Biber errichteten stattlichen Hauptdamm an der Rodau ganz in der Nähe des Rathauses und das Biotop, das sich dadurch gebildet hatte sowie die Burg des Bibers. Um die jetzige Situation zu verstehen, ist ein Rückblick in die Geschichte notwendig: Früher war der Biber ein natürlicher Bewohner in unseren Breiten. Aufgrund seines wertvollen Pelzes, seines schmackhaften Fleisches, das auch als Fastenspeise verwendet werden konnte, sowie der Stoffe aus seiner Drüse (Bibergeil) wurde der Biber so stark bejagt, dass er in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert bis auf eine kleine Restpopulation an der Mittelelbe ausgestorben war.

 

Zwischenzeitlich erfolgte in Mühlheim, wie in vielen anderen Gegenden in Deutschland auch, eine Flurbereinigung. Das Tal der Bieber und der Rodau wurde trockengelegt, die Bäche in ein schmales und kerzengerades Bett gezwängt und die ehemaligen Flussauen in Äcker und Wiesen sowie in Bauland für Sportstätten und Wohnbebauung umgewandelt. Bald zeigten sich jedoch die Nachteile dieser neuen Raumordnung. Besonders gravierend war, dass bei Starkregen das Wasser extrem schnell abfloss und zu großen Überschwemmungen an Main und Rhein führte. Aber auch die fehlende Neubildung von Grundwasser sowie ein Schwund an Artenvielfalt waren Problemfelder.

 

Daher wurde eine teilweise Renaturierung durchgeführt. Diese renaturierten Gebiete stellen nun für den Biber geeignete Habitate dar. Dieser hatte sich nach erfolgreichen Wiederansiedlungsprojekten in den letzten Jahrzehnten in Deutschland wieder ausgebreitet, und auch in der Mühlenstadt waren bereits vor etwa 5 Jahren erste Spuren von ihm entdeckt worden.

 

Ein Zusammenleben im immer enger werdenden Raum stellte sich erst einmal als Problem dar und sorgte für Überschwemmungen und Unmut bei den Anwohnern. Die Naturschützer auf der anderen Seite waren über den Biber sehr erfreut. Der Biber gestaltet wie kein anderes Tier durch den Bau von Dämmen seine Umgebung. Das angestaute Wasser bildet wertvolle Biotope für Fische, Amphibien, Libellen, Wasservögel und viele mehr. Gleichzeitig verbessert sich die Wasserqualität, Grundwasser kann sich vermehrt bilden und Starkregen kann zurückgehalten werden. Und diese enorme Renaturierung leistet der Biber zum Nulltarif!

 

Auch über den Biber selbst berichte uns Adela interessante Details: Er ist das größte bei uns vorkommende Nagetier, und hat etwa die Größe eines Schäferhundes. Häufig werden die anderen an Gewässern lebenden Nagetiere, die Nutrias und Bisame, für Biber gehalten. Diese sind jedoch viel kleiner und unterscheiden sich vom Biber durch die Form des Schwanzes; während der Biber eine breite Kelle besitzt, haben Nutrias im Querschnitt kreisrunde und Bisame ovale, seitlich abgeflachte Schwänze

 

Das Biberweibchen wirft jedes Jahr etwa 2 Junge. Diese dürfen auch das darauffolgende Jahr mit den jüngeren Geschwistern im Revier und im Bau bleiben. Danach werden sie vertrieben und müssen sich ein eigenes Revier suchen. Dies ist ein sehr gefährliches Unterfangen. Opfer fordert nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch die Auseinandersetzung mit anderen Bibern, die ihr Revier unter Einsatz ihrer scharfen Zähne vehement verteidigen

 

Im Sommer ernähren sich Biber von dem frischen Grün um sie herum, unter anderem auch von dem Japanischen Staudenknöterich, der sich als Neophyt ungehemmt bei uns ausbreitet und die heimische Flora verdrängt. Im Winter stellen sie sich um auf den Verzehr von Rinde, die sie sorgfältig von Ästen und Stämmen der von ihnen gefällten Bäume schälen.

 

Zum Schluss zeigte uns Adela die Drainagerohre im Damm, die Hochwasser für die Anwohner verhindern, das Habitat des Bibers jedoch nicht zerstören sollen. Eine Vergrämung des Bibers wird von der Biberexpertin als sinnlos angesehen, da das Flusstal nun so attraktiv für Biber ist, dass in kurzer Zeit mit der Ankunft eines anderen Artgenossen zu rechnen ist.

 

Momentan zeigt sich deutlich, dass sich der Biber weiter ausgebreitet hat. In Mühlheim wurde zu Jahresbeginn ein neuer Damm in der Nähe der Mündung der Rodau in den Main fertiggestellt, und auch in den Nachbargemeinden stromaufwärts mehren sich an Rodau und Bieber die Biberspuren.

 

Es bleibt daher spannend, zu beobachten, wie der Biber die Landschaft verändert und welchen Einfluss dies auf die Artenvielfalt hat.

Vielen Dank an Adela für die sehr informative Veranstaltung.



Text und Fotos 1- 9: W. Huni, Foto 10: A. Zatecky, 05.05.2023