Wespenbussarde – glücklicher Zufall oder schon lange heimliche Nachbarn?

Obwohl sie auch (zu wenigen) in Südhessen vorkommen, hatte ich noch nie bewusst einen Wespenbussard gesehen. Wahrscheinlich haben mich schon welche überflogen und ich habe sie in großer Höhe für Mäusebussarde gehalten ….

Die Sache änderte sich schlagartig, als ich Mitte Juli 2021 viele Stunden bei Neuntöterfamilien in den Lämmerspieler Wiesen war und mich hungrig und durstig gerade auf den Rückweg machte.
An einem mit Bäumen bewachsenen Weg fielen mir plötzlich zwei sich hochschraubende Greife auf, die ich zunächst für Mäusebussarde hielt. Zum einen befanden sie sich im Gegenlicht, zum anderen hatte ich wegen der Bäume auf höchstens ein Zehntel des jeweils geflogenen Kreises Sicht. Da ich aber seltsame Rufe mehr wahrnahm als wirklich hörte, stellte ich mich besser doch schon mal in Position um die Greife im nächsten Sichtfenster wenigstens durchs Objektiv genauer zu betrachten. Das war eine gute Idee ….

Der Rest ist schnell erzählt: Sofort erkannte ich an den „Taubenköpfen“ dass das nur Wespenbussarde sein konnten und hatte dann nur noch Sekunden für ein paar Fotos, bis die Greife hoch genug waren und sofort abzogen.

Nicht geklärt werden konnte die Frage, ob meine Beobachtung einfach nur ein glücklicher Zufall war oder ob Wespenbussarde schon länger ihrer Art entsprechend ausgesprochen heimlich in benachbarten Wäldern brüten.

Hier noch einige Informationen zu Wespenbussarden:

Kennzeichen:

Länge 52 – 60 cm, Spannweite 125 – 145 cm. Der Wespenbussard ist ein mittelgroßer Greifvogel, der auf den ersten Blick dem Mäusebussard ähnelt. Sein Gefieder ist wie bei den echten Bussarden der Gattung Buteo sehr variabel, was die Bestimmung aufgrund von Gefiedermerkmalen erschwert, besonders bei Jungvögeln. In allen Kleidern fällt der charakteristische Habitus auf: Im Vergleich mit echten Bussarden ist der Hals auffällig schlank, der Kopf kleiner und etwas taubenähnlich, Kopf und Hals ragen deutlich vor (bei Vögeln im Gleitflug mindestens bis zur Höhe des Flügelbugs). Der Schwanz ist länger und kräftiger (gleich lang oder länger als die Breite der Flügel) und mit leicht konvex geschwungenen Seiten und abgerundeten Ecken – anders als die geraden Seiten und kantigen Ecken des Buteo-Schwanzes. Der Wespenbussard hält im Segelflug die Flügel in der Horizontalen und ziemlich rechtwinklig vom Körper weg (nicht nach vorne und oben in einem flachen „V“ wie Buteo-Arten), im Streckengleitflug sind die Flügel leicht abwärts gebogen (bei Buteo zumeist horizontal), im Ruderflug sind die Flügelschläge tiefer und elastischer. Verdreht im Flug oft den Schwanz wie die Milane (Buteo-Arten tun dies auch gelegentlich). Die Altvögel sind wesentlich leichter von Buteo-Arten zu unterscheiden als Jungvögel: Ihr Flügelmuster ist unverwechselbar mit deutlichem breiten, dunklen Band auf dem Hinterrand, sehr wenig dunkler Färbung an den Spitzen der Handschwingen (besonders bei Männchen) und mit parallelen dunklen Binden über den Basen der Schwungfedern. Auch das Schwanzmuster, das im Segelflug am deutlichsten sichtbar wird, ist mit einer breiten, dunklen Endbinde und zwei schmalen Binden nahe der Basis charakteristisch gefärbt. Alle diese Merkmale sind am ehesten von unten erkennbar. Die marmorierte Unterseite (inklusive der Unterflügeldecken) typischer Wespenbussarde ist ebenfalls ein hilfreiches Merkmal. Sehr charakteristisch für die große Mehrheit der Altvögel ist der gerade Flügelhinterrand im Segel- und vor allem im Gleitflug – deutlich verschieden vom S-förmig geschwungenen Flügelhinterrand der Buteo-Arten, deren Handflügel schmaler und spitzer ist. Im Jugendkleid ohne die charakteristische Gefiederzeichnung der Altvögel, Flügel und Schwanz noch stärker gebändert, die Spitzen der Handschwingen sind ganz dunkel. Mit S-förmigem Flügelhinterrand aufgrund des im Vergleich zu den Altvögeln breiteren Hand- und schmaleren Armflügels; manchmal auch mit kürzerem Schwanz. Typischer Ruf ein klares, gedehntes, melodisches und melancholisches „wii-uuu“ oder (mehr dreisilbig) „wi-wii-uu“, ganz anders als Mäusebussard, mehr vibrierend.

Lebensraum:

Der Wespenbussard ist Brutvogel größerer, abwechslungsreich strukturierter Buchen-, Eichen- und Laubmischwälder. Im Mittelgebirge werden Kuppen und obere Hangbereiche als Horststandorte bevorzugt. Nahrungshabitate sind sonnige Waldpartien wie Lichtungen, Kahlschläge, Windwürfe, Waldwiesen, Wegränder, Schneisen sowie halb offenes Grünland, Raine, Magerrasen, Heiden und ähnliche extensiv genutzte Flächen. Die zeitliche Nutzung der verschiedenen Habitatelemente im Brutrevier ist kaum erforscht. Ausgedehntes Agrarland (Ackerbau) bietet ihm keinen Lebensraum.

Biologie und Ökologie:

Der Wespenbussard ist der heimische Greifvogel, über den die größten Wissenslücken bestehen. Dafür ist zum einen seine heimliche Lebensweise verantwortlich: Im Brutgebiet ist er nur etwa 100 Tage anwesend, der Horstbau erfolgt erst nach Belaubung der Bäume, er vollzieht häufige Horstwechsel und balzt unauffällig, darüber hinaus verfügt er über große Reviere. Zum anderen kommt es oft zur Verwechslung mit Mäusebussard und Habicht sowie zu methodischen Erfassungsproblemen. Als Ursache für die jährlich großen Brutbestandsschwankungen bis hin zu gebietsweise fast völligem Brutausfall gelten Wespenmangeljahre als Folge anhaltend feuchtkühler Witterung im Mai/Juni.

Der Heimzug findet ab Ende April mit Höhepunkt Mitte Mai statt, der Wegzug in Wespenmangeljahren bereits im Juli, sonst Ende August und Anfang September. Der Wespenbussard ist Langstreckenzieher mit Überwinterungsgebieten im Regenwald von West- und Zentral-Äquatorialafrika.

Das große Nest steht überwiegend auf alten, großkronigen Laubbäumen (Eichen und Buchen). Der Legebeginn liegt um Ende Mai bis Anfang Juni, der Schlupf der Jungen findet Ende Juni bis Mitte Juli, das Ausfliegen der Jungen von Anfang bis Mitte August statt. Die Nahrung besteht aus Larven, Puppen sowie Imagines von sozialen Wespenarten. Vor allem für die Jungenaufzucht ist diese Nahrung entscheidend. Es werden auch Amphibien, Reptilien und ausnahmsweise Kleinsäuger verzehrt.

Fluchtdistanz: Nach Aussagen von Artkennern nicht besonders scheu, doch liegen auch Angaben von 100 – 200 m Fluchtdistanz vor. Da die Art sich nur ca. 100 Tage im Brutgebiet aufhält, sollten ihre Brutplätze störungsfrei bzw. störungsarm sein.

 

http://www.natura2000.rlp.de/steckbriefe/index.php?a=s&b=a&c=vsg&pk=V034


Text und Fotos: Sabine Streckies 10.10.2021